VON GERT-PETER MERK
Die Schwulen tun sich leichter. Seltsam eigentlich. Zur Situation homosexueller Väter sind in den letzten Jahren einige Publikationen erschienen. Schrittweise kommt das Thema aus der Tabuzone. Zahlreiche Selbsthilfegruppen, Talkshows, Internetseiten zum männlichen Coming-out verweisen auf eine breite Diskussion des Problems. Kaum aber gibt es Literatur zu familiären Konflikten, die durch ein lesbisches Coming-out der Mütter entstehen. Besonders die Situation verlassener Männer und Väter hat bisher wenig Resonanz in der Öffentlichkeit gefunden. Was auch an den Männern selbst liegt. Bereits mit ihnen in Kontakt zu kommen ist schwierig. Als selbst Betroffenem ist es mir erst nach jahrelangen Recherchen gelungen, Verbindung zu anderen Männern in ähnlicher Lebenslage aufzubauen.
Jens, 34, im technischen Bereich teilzeitbeschäftigt, lebt nach zehn Jahren Ehe noch im gemeinsamen Haushalt, wird aber demnächst mit seinen zwei Söhnen, 7 und 10, in eine neue Wohnung ziehen. Robert, 41, ist Vater von männlichen Zwillingen im Alter von acht und einem Dreizehnjährigen. Er arbeitet in Niedersachsen als Pädagoge. Zwölf Jahre lebte er mit seiner Frau zusammen, seit kurzem hat er eine neue Beziehung, seine Kinder sind jedes zweite Wochenende bei ihm. Uwe, 39, lebte mit seiner Frau fünfzehn Jahre zusammen. Seine zehnjährige Tochter und der dreizehnjährige Sohn wohnen bei ihm in Brandenburg. Er arbeitet in der Industrie.
Was bei den Gesprächen mit den Vätern auffällt: Alle Gesprächsansätze wurden von ihnen bisher abgeblockt oder sind von großer Unsicherheit und Hilflosigkeit bestimmt; von enormen Selbstzweifeln, auch Selbstmitleid. Eine Frage wird schnell diskutiert: Was bekommen die Kinder von der neuen Situation mit? Oder gehen sie mit ihr viel selbstverständlicher um als ihr Vater?
Die Rivalin ruft ganz ungeahnte Schwierigkeiten hervor. Bei einem Geschlechtsgenossen kann sich der Mann noch Strategien und Gefühle vorstellen: Er sieht sich in einer klaren Konkurrenzsituation. Wenn er um seine Frau kämpft, kann er sich in den anderen Mann hineinversetzen. Und er kann sich vorstellen, was eine Frau an einem Mann schätzt. Diese Rivalin aber ist ihm rätselhaft, fremd. Er kann sie sich auch kaum als Liebhaberin vorstellen.
Gleichzeitig wird die Hinwendung der Partnerin zu einer anderen Frau quasi als "höhere Gewalt", als "Naturgewalt" erlebt: Es ist für den Mann nicht erklärbar, wie es zu dieser sexuellen Umorientierung gekommen ist. Selbst wenn die Beziehung zur Rivalin scheitern sollte, hat er seine Frau wahrscheinlich als Geliebte verloren. Mit ihrem Coming-out beschreitet sie ein neues Gelände, zu dem er keinen Zutritt hat. Könnte er je etwas tun, um sie zurückzugewinnen?
Diese Hilflosigkeit wird von den betroffenen Männern unterschiedlich erfahren, sie wirkt entlastend und verstörend zugleich. "Es wäre schlimmer gewesen, wenn sie sich in einen Mann verliebt hätte", sagt Robert. "Wenn das ein Kerl gewesen wäre, hätte ich mich die ganze Zeit gefragt: Was hat der, was ich nicht habe? Was habe ich falsch gemacht? Ich weiß, was ich habe und was sie nicht hat!" Das klingt selbstbewusst. Doch später gesteht auch er ein, Selbstzweifel zu haben: "Bin ich jemand, der das Geschlechterkonzept Mann so halbherzig vertreten hat, dass sich die Frau nicht nur von mir als Mann, sondern überhaupt von den Männern abwendet? Bin ich ein so komplizierter Typ, dass die Frau ausreißen muss in Homosexualität?" Noch drastischer formuliert es Uwe: "Bin ich ein Lesbenmacher?"
Zunächst verläuft der Prozess langsam, schleichend. Häufig führen die Partner über viele Jahre ein "funktionierendes Eheleben", nach außen wie nach innen - bis sie eines Tages anerkennen müssen, dass die homosexuelle Orientierung der Frau zum bedrohlichen Grundproblem der Beziehung geworden ist. Hat die Partnerin insgeheim schon immer so empfunden? Sind die gemeinsamen Jahre dadurch rückwirkend entwertet? Es entsteht ein Gefühl des Betrogenseins nicht nur im Sinne einer körperlichen Untreue, sondern einer fassadenhaften Sexualität.
Im Nachhinein zeigt sich: In der Veränderung der gemeinsamen Sexualität deutete sich manches Unausgesprochene bereits an. Die nachlassende Lust wird jedoch zunächst eher auf andere, scheinbar näher liegende Ursachen zurückgeführt: auf Gewohnheit, Berufsstress oder den Familienalltag. Jens: "Nach der Geburt des ersten Kindes ist bei uns sexuell praktisch nichts mehr gelaufen. Wir haben das auf die Geburt zurückgeführt, meine Frau hat sehr lange gestillt, darauf haben wir's geschoben. Dann kam der Zweite, das ging dann noch mal kurz. Ich meine, für die Schwangerschaft hat's gereicht. Aber dann war's wieder vorbei."
Solange die Beziehung dem Anschein nach noch funktionierte, wurde das Wenige an Sex von den Männern hingenommen, nach dem Coming-out der Frau wird das endgültige Wegfallen betrauert. Da mag die ehemalige Partnerin noch so sehr beteuern, die neue Situation habe weniger mit ihm zu tun und einem Versagen seinerseits als vielmehr mit ihr und ihren Gefühlen und Bedürfnissen. An der narzisstischen Kränkung ändern auch scheinbare Objektivierungen nichts. In Uwes Worten: "Wenn einem der Arbeitgeber kündigt und sagt: ,Nimm's nicht persönlich', dann funktioniert das auch nicht. Ganz einfach, weil es nicht im gegenseitigen Einvernehmen geschieht."
Roberts Frau versuchte, ihrem Mann zu erklären: "Ich kann dich als Freund lieben und als Vater der Kinder. Aber nicht als Mann." Robert war verwirrt - und so gekränkt, dass er das Thema zuerst auf eine höhere Ebene schob. Die größte Angst machte ihm die Frage nach dem Sorgerecht für die Kinder. Und: Was verstehen die von der Situation - die er insgeheim "als pervers empfand": Noch vor gut einer Generation war (zumindest männliche) Homosexualität verboten, und nun muss man sich hüten, nicht dazustehen als jemand, der Homosexuelle diffamiert.
Die Erfahrung, wegen einer anderen Frau verlassen zu werden, rüttelt mächtig am männlichen Selbstbewusstsein. Für Robert gab es vorher zwei Trennungen, die ähnlich schmerzhaft waren. "Nein", sagt er, "für mich gibt es keinen qualitativen Unterschied, ob ich wegen einem anderen Mann verlassen werde oder wegen einer Frau." Uwe hingegen erlebte die Trennung als großen Schock: "Ich habe damals meinem Freund eine Mail geschickt: ,Es ist schlimmer, als wenn Mutter und Vater sterben.' "
Vor dem Hintergrund dieser Verunsicherung fällt es den Verlassenen zusätzlich schwer, nach einer neuen Partnerin zu suchen. Etwa Uwe. "Ich weiß überhaupt nicht mehr, ob ich attraktiv bin. Ich habe ständig im Kopf, dass ich der Lesbenmacher bin", sagt er und lacht in sich hinein. "Bei mir stehen ganz die Kinder im Mittelpunkt", sagt er. Zugleich ist ihm klar, dass er derzeit kaum über Beruf und Kinderarbeit hinausschauen kann.
Robert traf die Trennung vor allem in seiner Rolle als Vater: "Die Identität als Mann hatte zwar gewackelt, aber als Vater war ich noch mehr verletzt." Im Moment sieht er seine Kinder nur an jedem zweiten Wochenende, wenn sie bei ihm sind. "Ich hatte immer diese Angst: Verlier ich jetzt den Kontakt zu den Kindern? Werden die womöglich umgedreht - jetzt nicht im Sinne von hetero oder homo, sondern: Werden sie mir jetzt entfremdet?"
Tatsächlich besteht die Gefahr, dass der verlassene Mann sich vorwiegend um sein verletztes Ego kümmert und weniger um das Erleben seiner Kinder. "Absolut wichtig", so Uwe, "ist für mich die Unterscheidung zwischen Männern lesbischer Frauen und Vätern von Kindern lesbischer Mütter. Im ersten Fall geht es nur um die Verantwortung mir selbst gegenüber. Aber im anderen Fall habe ich auch mindestens die Hälfte der Verantwortung für die Kinder. Ich sehe zumindest eine Gefahr, dass wir uns mit unserer gekränkten Männlichkeit so lange beschäftigen, bis die Kinder aus dem Haus sind, und dass wir uns dann erst sagen: So, jetzt wäre ich eigentlich bereit, wieder als Vater aktiv zu werden."
Übereinstimmend äußern sich die Väter, dass sie hin- und hergerissen sind: Einerseits wollen sie den Kindern zeigen, dass sie ihre Mutter auch in der neuen, lesbischen Beziehung als Mutter akzeptieren, dass sie sich also bemühen, integrierend zu wirken. Andererseits aber verspüren sie auch den Impuls, sich für die erfahrene Verletzung zu rächen und die noch immer nicht überwundene gesellschaftliche Tabuisierung der Homosexualität auszuspielen. Robert: "Da ist dieses Gefühl: Dich mach ich platt. Und zugleich weißt du, dass du das aus der Vaterrolle heraus gerade nicht tun kannst."
Denn dann könnte genau das passieren, was die Väter befürchten: dass die Kinder ihnen nicht nur entgleiten, sondern sich eines Tages sogar gegen sie stellen, je mehr sie etwa erleben, wie ihr "Heterovater" die mütterliche Lebenswelt kritisiert, die sie selbst aber als viel normaler erleben, in die sie einfach hineingewachsen sind.
Obwohl selbst in einer neuen Beziehung lebend, fühlt sich Robert hilflos und isoliert: "Was ich überhaupt nicht abschätzen kann: Wie ist das für meine Jungs? Ich wüsste da so gerne mehr! Es würde mich richtig glücklich machen, wenn ich in einen Raum reinkäme, wo zehn junge erwachsene Männer von Anfang oder Mitte zwanzig stehen und sagen: ,Wir sind Söhne von lesbischen Müttern.' Mit denen würd ich gerne reden. Ich würde sie fragen: Jungs, wie ist das für euch gelaufen? Durch wie viele Knoten in eures Vaters Kopf musstet ihr euch schlagen? Was waren eure eigenen Auseinandersetzungen mit dem Thema? Und was müsste rückblickend ein Vater tun, damit das für die Kinder hilfreich ist?"
Auch wenn es bei der Emanzipation immer um beide Geschlechter geht, suchen offenbar nur wenige Väter, die von ihren lesbischen Frauen verlassen werden, den Austausch mit Männern in derselben Situation. Woran liegt das? An der Scham, als Mann von einer Frau ausgestochen worden zu sein? An allgemeiner Tabuisierung? Vermutlich liegt es auch daran, dass sie die Mutter ihrer Kinder schon mitten in einer "lesbischen Kultur" aufgehoben wähnen, während sie sich selbst ganz im Abseits sehen.
Während Frauen in viel stärkerem Maße daran gewöhnt sind, ihre Gefühle und ihre Befindlichkeit zu offenbaren, schweigen die Männer lieber. Schon als Kinder haben wir gelernt, dass es schändlich ist, als "Heulsuse" verspottet zu werden oder als Sensibelchen zu gelten. Also haben wir gelernt, unseren Kummer runterzuschlucken, ihn uns dadurch möglichst fern zu halten. Doch als Väter vergessen wir womöglich einen Punkt: Wir sind anders sozialisiert als unsere Kinder. Sie kennen keine andere Welt als die, in der sie leben, sie erleben ihre Umwelt als alltäglich. Eigentlich ist unsere Sorge um ihr Bild von der Mutter zweitrangig - nur unsere eigene sicher geglaubte Orientierung ist abhanden gekommen.
"Da ist ja auch das Hadern und die schöne Selbstmitleidecke, in der man aufgeht", hat der Wochenendvater Robert erkannt. "Solange ich mit dem Blick draufgeguckt habe, dass ich alles verloren habe, ging es mir ziemlich mies. Vorwärts ging es erst, als ich mir gesagt habe: Tabula rasa, es wird Zeit, einen Schnitt zu machen und jetzt wieder was Neues aufzubauen. Natürlich gibt es ein paar Dinge, die kann man nicht fortführen - das ist ja das Gemeine nach so einem Bruch. Am Anfang ist da das dringende Bedürfnis, möglichst viel stabil zu halten - schließlich ist die ganze Welt so instabil. Aber irgendwann kam der Augenblick, wo ich mich fragte: Was hast du jetzt? Wie möchtest du in zehn Jahren mit deinem Sohn dastehen? Schau in die Zukunft, mach einen neuen Entwurf. Lebensentwürfe können scheitern. Dann muss man sich sagen: Ich brauch jetzt einen neuen Plan. Wie schön wäre es, wenn wir Väter für uns einen klaren Schnitt vornehmen und uns sagen könnten: ,Mutter soll ihrer Wege gehen.' "
GERT-PETER MERK arbeitet derzeit an einer umfangreicheren Darstellung des Themas.
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